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Verehrter MDE, verehrter Aurora, verehrte alle ungenannten,

Zunächst muß dem Versuch, Ordnung in die Spekulationen und
Interpretationen des Liber AL, sowie für die Suche nach den
moralische Grundlagen für ein thelemitisches Weltbild, Respekt
ausgesprochen werden. Mit großem Interesse habe ich die
Versuche, mehr Licht in das Verständnis um die und die "drei
Grade" von 1.50 nachzuvollziehen verfolgt. Scheinbar gibt es da
noch viel Bewegung in der Wahrheitsfindung zu diesen Punkten.

Ich habe denn auch die Thelema-Fibel mit einigem Gewinn gelesen
und fand neben einer Reihe Anregungen auch im großen und
ganzen nicht viel verkehrt daran.
Einige Dinge, die schon fast im Begriff waren, im Sumpf der
Selbstverständlichkeiten unterzugehen, wurden wieder präsent.
Ja genau: Die Christliche Ära hat durch die Abwesenheit Gottes den
Rationalismus erfunden
! Und Jesus hat das Vorbild für den
Individualisten
geliefert, oder?
Die ersten Ergebnisse erschienen dann auf halber Strecke, um das
Jahr 1000 auf der Bildfläche, als der Berufstand der Krieger, die
Ritter, arbeitslos wurde, die in Folge statt in Horden zu wüten, als
wandernde Sänger, Dichter und Philosophen über Land zogen,
ohne das ihnen ihre Einsamkeit gleich als Geisteskrankheit
angekreidet wurde. Und bald sollte ein Peter Abaelard das Schwert
des Kriegers gegen das Schwert der Logik tauschen, die Vernunft
aus der Dienerschaft des Glaubens befreien und das Gebot Gottes
der freien Willensentscheidung unterstellen.

Zurück zur Fibel:
Das Kapitel " Thelema - das Gesetz des neuen Aeons" bereitete mir
dann doch einiges Aufstoßen. Zunächst konnte ich noch nicht
genau sagen was. Wohlmöglich wollte ich mich insgeheim der
Auseinandersetzung entziehen.
Schließlich konnte ich dann die Interpretation von 3.10 / 3.11 als
Stein des Anstoßes lokalisieren, worauf sich dann alles andere
ergab. Aus ein paar Fragen ist ein regelrechtes Traktat entstanden.
So kann's kommen.
Eingeplant war das jedenfalls nicht. Mit diesem Umfang hatte ich
selber nicht gerechnet.
Ich hätte mich darauf beschränken können, den Austausch dieser
oder jener Teile anzuregen. Da ich jedoch oben genannten Kapitel
in wesentlichen Teilen widersprechen mußte und gerade dieses
Kapitel die moralischen Grundlagen des Handelns berührt, konnte
ich nicht von einer Nachlässigkeit der Autoren ausgehen. Ich mußte
hier annehmen, das diesen Aussagen entsprechend gedacht,
gehandelt und gelehrt wird.


Aus welcher Ecke komme ich?
Mir ist klar, das ich mich selber in mancher Hinsicht nicht sehr viel
weiter entwickelt haben kann, als irgendwelche mittelalterlichen
Mystiker. Immerhin kann ich bestätigen, daß es Bereiche des
Fühlens gibt, die derart intensiv sind, so daß der Unterschied
zwischen Wonne und Schmerz aufgehoben ist. Kurz: Too much.
Anyway... ich habe so meine eigenen Einsichten. Jedoch diese
stellen mir das Liber Al doch zum Teil sehr anders dar als die Fibel,
mit der Folge einiger völlig anderer Schlüsse.
Ein Verdacht meinerseits ist unter anderem, das sich tatsächlich
unterschiedliche Schulen aus dem Liber Al herausschälen werden,
möglicherweise mit der Folge, das ";laßt einen den anderen nicht
gut kennen" (1.50) sogar wörtlich genommen werden muß. Oder es
bedarf noch einiger grundlegender Korrekturen in der Orientierung ?
Wir werden sehen.


Es ist möglich, daß ich Verärgerung aufgrund von "Degradierungen"
von Göttern und Symbolen auslösen werde. Und manches andere
werde ich wohl erschreckend simplifiziert darstellen.
Ich mache aber auf Folgendes aufmerksam: Wenn ich in eine
philosophische Ansicht einführe, hat das notwendiger weise
Degradierungen zur Folge.
Andere Leser werden die kryptischen Teile verärgern. Man kann
diese aber getrost überspringen und sich auf Teil 1 und Teil 7
beschränken.
Mir ist klar, daß ich mich an einigen Stellen sehr weit aus dem
Fenster lehne. In vielerlei Hinsicht hat der hiermit vorgelegte Text
alle Mankos einer schnell hingeworfenen Skizze. Manche Aspekte
werden nur angerissen statt ausgeführt. Einige Sinnverknüpfungen
wurden über den ganzen Text verteilt. Auch wurden die textlichen
Neuzugänge in der Fibel nicht weiter berücksichtigt.
Möglicherweise wird man mir noch Hochstapelei vorwerfen.
Nun, sämtliche Fehleinschätzungen meinerseits zugestanden. Für
die Angaben betreffend 3.10 / 3.11 kann ich bürgen. Ebenfalls für
die dargestellten auf Zahlen basierenden Zusammenhänge, soweit
sie sich die Begründungen außerhalb der geläufigen kabbalistischen
Methoden bewegen.
Was davon reine Interpretation ist, müsste eigentlich erkennbar
sein.

Grundsätzlich ist davon auszugehen, das die hier dargestellten
Deutungen nicht alle anderen möglichen Deutungen
notwendigerweise ausschließen, auch wenn sie im krassen
Gegensatz zu den gängigeren Interpretationen stehen. Im
Gegenteil: Verschiedene Ausgangspunkte für eine Annäherung an
das Liber Al müssen zwangsläufig zu unterschiedlichen
Auffassungen führen. Gegebenenfalls werden wir es ertragen
müssen, daß diese nebeneinander stehenbleiben. Weitere Urteile
werden dem geneigten Publikum überlassen.

Man mag es mir als schlechten Stil ankreiden, ein derartiges
Schriftstück einfach in ein Forum abzulegen, anstelle der
Veröffentlichung auf einer eigenen Seite mit eigenem Forum. Ich
habe dafür zwei Gründe:
1. Ich bin zeitlich nicht in der Lage, letzteres angemessen zu
pflegen.
2. Ist folgendes zunächst eine unmittelbare, wenn auch
weitschweifige Reaktion auf MDEs Thelema Fibel, speziell eben das
Kapitel "Das Gesetz des Neuen Aeons".

Es wurden allerdings auch "Tendenzen" aufgegriffen, wie ich sie
beim durchstöbern von Internetseiten und Forumsbeiträgen zum
Thema "Thelema" vorfand.

Zur Orientierung sind im Folgenden jene Punkte aus der Fibel
aufgelistet, die ich hauptsächlich aufgreife, welche im Text aber nur
indirekt als solche kenntlich gemacht sind.
Ansonsten wird sich vieles von mir mit Auffassungen von MDE
decken. Aber Bekanntlich sind Paraphrasen die beste Möglichkeit,
Auffassungen auf Übereinstimmungen abzuklopfen.

Etwa der Auffassung von 'Liber Al = sozusagen spirituelle
Naturgesetze' stimme ich zum Beispiel zu. Nicht nur das: Das
komplette vorliegende Traktat basiert auf dieser Auffassung.



Zur Auflistung:

Aussagen, denen widersprochen wird, wie vorgefunden:
 
1.   Ich finde generell die Art, wie der Begriff "Gesetz" relativiert wird,
überaus unglücklich.
Ich kann zwar die Beweggründe dafür nachvollziehen, warum es
praktischer wäre, wenn das Liber Al eine eingeschränkte Gültigkeit
für Verständige hätte.
Ich gehe aber davon aus, daß diese Ansicht weder auf Dauer
haltbar, noch als Bollwerk gegen religiös begründeten Extremismus
geeignet ist.

2.   "Das Liber Al behauptet: Wer sich spirituell entwickeln will, muß
diesen Regeln folgen oder er wird scheitern."
•   Die Beschränkung auf "spirituell" ist für mich aus dem Buch nicht
ersichtlich.
•   In den hier diskutierten Zusammenhängen lassen sich zum Thema
"scheitern" und der Angst davor, einige interessante Schlüsse
ziehen.
•   Das Thema, wie "Regeln" befolgt, verfolgt oder gefolgt wird, bildet
den Kern nachfolgender Diskussion.


3.  
So muß ich folgender Auffassung:
"Alle Verse des Liber Al sind als Verhaltensregeln anzusehen."
zu 100 % widersprechen.
•   Es wird nicht in Abrede gestellt, daß es sich vordergründig um
Verhaltensanweisungen zu handeln scheint.
Jedoch: Ein Buch, daß derart mißverständlich ist, kann unmöglich
"pragmatische Handlungsregeln" liefern. Allein die
Mißverständlichkeit - oder nennen wir's besser Mehrdeutigkeit - ist
vollkommen unpragmatisch. Was nicht bedeutet, daß pragmatische
Schußfolgerungen auszuschließen wären.
•   Insofern pragmatische Schlußfolgerungen von der rechten
Interpretation durch Autoritäten (etwa: "Übung Nr. 1 für Deine
spirituelle Entwicklung") abhängig gemacht werden, bewegen wir
ganz schnell in die Richtung der altbekannten, hierarchisch
organisierten, religiösen Gemeinschaften.
•   Aussagen wie: "Wer bestimmte Verhaltensweisen folgt, der
erreicht spirituelle Fortschritte." veranlassen mich zu der Frage: Wie
will man so der berühmten "Sucht nach Ergebnissen" begegnen?
 
 
  Des weiteren:

4.   Liebe ist partielle Verschmelzung (...) von Seelen
•   Kontra: Nicht ausschließlich.

5.   Lieben = alle glücklich machen.
•   Kontra: Eher ein Mißverständnis von Liebe.

6.   Lehre des Liber Al ist: Durch Beispiel Herzen der Menschen zu
erobern.
•   Kontra: Nicht die "Lehre", sondern eine der Möglichkeiten.
Betreffend "spirituelle Fortschritte" kann das genaue Gegenteil der
Fall sein.

7.   Irritationen über "grauslige" LAVL-Passagen lösen sich schnell auf,
wenn man die Prinzipien von Wahrheit und Liebe über alle
Deutungen stellt.
•   100 %er Widerspruch.
Moralische Problemstellungen im Zusammenhang mit dem LAVL
lassen sich nicht dadurch klären, daß man die Sätze
gewissermaßen einer Hierarchie unterwirft, so das "Schreckliches"
das "Schöne" nicht angreifen kann.
Das ist ein Kunstgriff. Insofern versucht wird, anhand einer
derartigen Technik 'moralische Orientierung' aufzubauen, ist als
Ergebnis wohl eher mit 'moralischem Notstand' zu rechnen.
Der nackte LAVL-Text kann offensichtlich keinem Konsistenztest
standhalten. Eine auf Interpretationen bauende Moralarchitektur
steht naturgegeben auf wackligem Fundament.



  Weitere Auffassungen, so, wie ich sie aus dem Kontext
verstanden habe, denen ich widersprechen muß:

8.   Es ist der positiven persönlichen Entwicklung förderlich,
widersprüchliche Auffassungen zu erkennen und daraufhin
Auszuschalten.
•   Jain. Mir geht das Ausschalten in der hier beschriebenen Art viel
zu schnell.

9.   Problemstellungen, die sich aus der Ratio ergeben, lassen sich
durch Relativierung der Ratio lösen.
•   Es erhält gewiß Denk- und Kommunikationsfähigkeit. Aber sehr
genau aufpassen was man da tut ! Je nach dem verpasst man
nämlich das Beste.
Kompromisse sind keine Lösungen.
Ausschließlichkeit ist Terror.



 

10.  
Deutungen, denen ich widerspreche:

Die komplette Deutung von 3.10 und 3.11
•   Wie bereits erwähnt, der Anlaß zu diesem Traktat. Eigentlich
würde das eine willkommene Beweisführung für meine oben
angerissenen Kontras hergeben, wenn die Angelegenheit nur nicht
so haarig wäre. Daher denke ich, daß nunmehr eine
Experimentalsituation geschaffen worden ist. Das Ergebnis bleibt
abzuwarten.

11.   2.30 und 2.32 in einigen entscheidenden Punkten (siehe oben).
•   Insgesamt scheint hier eine Verwechslung von Pragmatik mit
Logik vorzuliegen.

12.   Crowley's Deutung von 3.49 als "Tu was Du willst"







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Noch kurz:
Hier ein kleines Schema, wie ich die Begriffe von Wahrheit und
Wirklichkeit aufsplitte, um den Überblick zu behalten:


1.   Wahrheit
Auch "absolute Wahrheit" genannt.
Die Existenz derselben darf bestritten werden.
Trotzdem ist sie offensichtlich existent, zumindest als Illusion,
Wunsch, Fokus.
Was sollte sonst die Antriebskraft sein?

2.   Begreifbarkeit
Brauchbarkeit von Zusammenhängen;
Wahrheit, gültig innerhalb vereinbarter Sinnzusammenhänge;
funktionsfähige Modellvorstellungen.
Extrembeispiel:
Mathematik manipuliert bei Bedarf "Unmögliches" und kann
Ergebnisse daraus verwerten.

3.   Wirklichkeit
Wahrnehmbarkeit; die Wirkung; wie es wirkt.
Nicht alles Wahrnehmbare ist greifbar.
Nicht alles Wahrnehmbare ist begreifbar.
Licht, Schall, ASW, Halluzinationen, Bewusstsein.

4.   Greifbarkeit
Das Wort "Realität" ins deutsche übersetzt.
Alles was ich anfassen kann.
Das Buch in meinen Händen.
Insofern kann ich mich darauf verlassen, daß sich im meinem
Zimmer kein Rhinozeros befindet.
Insofern war es lange Zeit durchaus noch möglich, daß der Mond
eine Scheibe ist.

0.   Klassifikation & Schnittmengen (die bewegliche Komponente)
Eigenschaften:
     1. & 3.: Subjektiv
     2. & 4.: Objektiv
Orte:
     1. & 2.: Denkraum
     3. & 4.: Erlebnisraum

Alle 1. - 4. bilden Schnitt- und Teilmengen in beweglichen Größen,
abhängig von der Beschaffenheit von Subjekt und Objekt. Diese
Schnitt- & Teilmengen nennen sich dann im Allgemeingebrauch:
Konsens, Überzeugung, Wahrheit, Wahrscheinlichkeit, Vertrauen,
auch Liebe, Frieden, Seligkeit.
Sämtliche Komponenten sind veränderlich in Verhältnis und
Beschaffenheit.