Berry Godber: Ausschnitt aus dem Front-Cover des Debut-Albums von King Crimson, 1968.

Münder, Augen und Bartträger

Der folgende Text stellt eine Vorabversion in HTML dar. Damit meine ich, dass die hier gegenwärtig dargelegten Inhalte sich vor allem durch den Zusammenhang mit den anderen Seiten dieser Domain ergeben.

Die vollständigen Darlegungen sind jedoch noch nicht zum Ende geführt worden. Der gegenwärtige in Arbeit befindliche Text ist bereits jetzt etwa doppelt so groß, wie der hier vorgestellte. Ich bitte daher wegen der Unvollständigkeiten und teilweise ins Leere führenden Argumentationsfäden um die Nachsicht des Lesers.


Die Symbolik des aufgerissenen Mundes oder Maules und des Verschlingens ist auf der ganzen Welt verbreitet. Oft wird sie in Beziehung mit bösen, das Gleichgewicht der Schöpfung bedrohenden, Kräfte gebracht. Etwa die Schlange Aphobis welche die Sonne verschlingt oder der Drachen (Mondknoten), der den Mond verschlingt.

Ebenso verbreitet die Symbolik des Verschlingens in Initiationsriten (etwa das Krokodil Sobek, das Haarpokrates bedroht), in denen angehende Männer durch das geöffnete Maul in das Innere eines Ungeheuers (auch: Der Prophet Jona im Bauch des Fisches) geschickt werden oder in Höhlen (in der Ägäis Geburtsort vieler Götter), in denen das Ungeheuer wohnt. Ebenso Reisen in die Unterwelt, bzw. das Innere der Erde (Saturn) scheinen dazuzugehören.

Die Frage, warum denn Saturn ein bärtiger Greis sein soll, scheint auf den ersten Blick schnell mit der Zuordnung der planetaren Götter auf die sieben Lebensalter beantwortet zu sein. Aber das ist eine rein astrologische Sichtweise.

Die griechischen und römischen Götter (die ursprünglich mal sterblich waren und auch in Gräber vorzuweisen hatten) tauchen in Darstellungen in verschiedenen Lebensaltern auf: etwa Dionysos und Hermes als Kind, junger Mann und alter Weiser, äußerlich zu unterscheiden nur an ihren Attributen. Da mag es nahe liegen, den Bart selber für ein Attribut von Alter, Weisheit und Autorität zu halten.

Gesamtansicht In diesem Zusammenhang möchte ich auf einige der Eigentümlichkeiten in den Darstellungen des Crowley-Tarots hinweisen. Auffällig etwa ist, das der alte Merkur (der Eremit oder der Prophet) auf Trumpf VI, scheinbar nichts sehen kann, weil er die Augen verborgen hält. Mag sein, dass es auf der einen Bedeutungsebene mit der Haltung des Eintretenden (auch: ins "Dunkel") zusammenhängen mag. Eigentümlich in diesem Falle aber auch die Darstellung des Bartes, der scheinbar gleichzeitig einen Teil des Gewandes darstellen will.

Nun hat die Darstellung von Bärtigen Schutzgeistern mit verdeckten Augen eine Tradition, die von den Römern herzukommen scheint und meistens in der Nähe von Wasser auftaucht. Nicht selten treten sie als Wasserspeier auf. Der Mund weit geöffnet, in diesem Falle aber nicht zum Verschlingen, sondern zum speien oder zum schreien, etwa zum verjagen ungebetener Gäste.

In dieser Schutzfunktion findet man sie auch an alten Fassaden, nicht selten auch an Wohnhäusern in der Näher des Eingangs. Das scheint wiederum auf die Rolle Saturns als Hüter der Schwelle zu verweisen. Auch Merkur spielt gelegentlich die Rolle des Wächters und zwar wenn er für das hermetische Verriegeln, speziell von Heiligtümern und dem Versiegeln von geheimen Wissen zuständig ist.

Bronzemünze, Rom 225/217 v. Chr. Der eigentliche Wächter unter den Göttern ist jedoch der alt-italische Gott Janus, dessen Name etymologisch mit dem Wort "ianua" (Türe) verbunden ist. Sein göttliches Wesen manifestierte sich nicht nur in Türen und Toren, sondern vor allem in Riegeln und Schlössern, da nur die verschlossene Türe wirklichen Schutz gewähren konnte.

In späterer Zeit galt er als Gott der Anfänge. Ihm und Juno waren alle Kalendarien (jeweils 1. des Monats) geweiht. Der Monatsname "Januar" leitet sich von "Janus" ab. Eine griechische Entsprechung gibt es für Janus nicht. Vielleicht gibt es eine Beziehung zu dem vieläugigen Hirten Argos/Argus. Die Gestalt des Janushauptes, mit zwei in entgegengesetzten Richtungen blickenden Gesichtern scheint orientalischen Ursprungs zu sein.

Man hat versucht, in ihm den ursprünglichen italischen Sonnengott zu sehen (als Partner der Mondgöttin Jana / Diana). Frazer erkannte in dem Wächter der heiligen Eiche einen Priester eines Vegetationsgottes Dianus und ging von einer Identität von Janus / Jupiter und Juno / Diana aus.

Die Deutung des Janushauptes als Gott der Gegensätze oder Widersprüche ist eine Neudeutung aus nachrömischer Zeit. Ursprünglich hatte das Zweigesicht die Aufgabe, den Eingang in zwei Richtungen zu bewachen. Er sieht, was kommt und was geht. Frazer nennt im "Goldenen Zweig" auch "primitive" Völker, die ihre Dörfer mit zweigesichtigen Wächtern zu schützen suchen. Die altmesopotamische und die ägyptische Kunst kennt ebenfalls zweigesichtige Wächter.

Janus wurde sowohl mit Schlüssel in der linken, als auch mit einem Langen Stock oder Zepter oder beidem dargestellt. Auch Priester wurden als Schlüsselträger bezeichnet und mit diesem dargestellt. Das Wort "Küster" leitet sich über Umwege von lat. "custor" (Wächter) ab. Das Zepter beschreibt Janus als König des Latinums vor der Gründung Roms. Janus selbst soll Saturnus ins Land geholt haben und somit das berühmte Goldene Zeitalter begründet haben. Der Dichter Ovid beschreibt Janus als Himmelspförtner. Erlauben wir uns die Freiheit den vieläugigen Hirten Argos in seiner Wächterfunktion hinzuzunehmen und nimmt man alle diese Attribute zusammen, erhält man einen unmittelbaren Vorläufer des Himmelpförtners Petrus, des Papstes und des Hohepriesters im Tarot.
Links: Statuette der etruskischen Entsprechung von Janus: Culsans. Ob er in der Hand ein Zepter, Stock oder Schlüssel hält, ist nicht bekannt. Mitte: Der Papst im Tarot des Court de Gebelin. Die Beiden Säulen sind wahrscheinlich "Bohaz" (Stärke, Ausdauer) und "Jakin" (Beständigkeit) am Eingang des Freimaurertempels. Rechts: Trumpf V im Crowley-Tarot. Man ist geneigt, den Stab in der Hand des Hohepriesters als Schlüssel zu interpretieren. Crowley selber spricht jedoch von einem Stab. Die Ringe repräsentieren die drei Zeitalter der Isis, des Osiris und des Horus.


Somit hätten wir eine Gruppe fließender Übergänge zwischen den bärtigen, schützenden, verschlingenden Göttern und Göttern der Anfänge, Eingänge, Geheimnisse und der Initiation geschaffen. Das mag bereits helfen, in bestimmten Fällen kaum auflösbare Fragen wie "ist es nun Jupiter oder Saturn oder gar Merkur?" zu umschiffen. Janus etwa, wird mal hier mit dem einen, dort mit dem anderen gleichgesetzt.

Allerdings wird die Praxis der Gleichsetzungen gerne missverstanden. Die Identifikation römischer mit griechischen Göttern etwa, mag bei tatsächlich vorhandenen prähistorischen Ursprüngen auf den gemeinsamen ursprünglichen Kern von Bedeutung und Funktion der betreffenden Götter weisen. In aller Regel sollte man aber nicht auf eine absolute Identität schließen, sondern von einer Gott-Neuschöpfung, bzw. einer (magischen) Zeichenkombination sprechen. Als Ergebnis mögen einerseits Schnittmengen der Funktionen und Attribute entstehen (etwa Hermanubis oder die Planeten-Gottheiten in ihrer astrologischen Funktion), andrerseits auch die Funktion der Gottheit (bis zur Unkenntlichkeit) erweitern. Letzteres passiert etwa, wenn Gottheiten an bestimmten Kultstätten (oft durch Gleichsetzung mit archaischen lokalen Göttern und Geistern) in einer besonderen Form verehrt werden und später genau diese Kultform aus bestimmten historischen Entwicklungen heraus populär wird. Aber auch Fehldeutungen importierter Götter werden ihren Teil beigetragen haben.

Wo wir nun soweit gekommen sind, den Hierophanten als Janus zu identifizieren, erscheint es mir reizvoll, einige Zeilen im Liber Al in diesem Lichte zu betrachten, in der Hoffnung, die große Trias im kleinen Universum treffender benennen zu können. Da sind diese in mehrfacher Hinsicht provozierenden Verse 2.15 und 2.16. Da werden auf der einen Seite scheinbar Rechenoperationen durchgeführt, mit deren Ergebnissen man nur auf (debattierbaren) Umwegen zu dem angegebenen "Ergebnis" 11 kommt. Gleichzeitig werden scheinbar ganz natürlich erscheinende Trumpf-Paarungen demontiert.

Ich habe "als Krücke" lange Zeit die beiden Verse als eine Beschreibung der "Achse des Rades" (2.07) aufgefasst (zugegeben: 1 in 10 und nicht 1 in 8) und vielleicht ist das auch nicht ganz falsch. Zumindest ergaben sich so (rein zuordnungs-technische) Bezüge zwischen den Zahlen VIII und 11. Aber Hadit hat offensichtlich sehr sehr viel mit dem Widder zu tun! Warum also "schmeißt" er den Widder "aus seinem Konzept"? Tja, vielleicht habe ich nicht richtig gelesen!

Die Paarungen sind Herrschein und Herrscher (III und IV) sowie Hohepriester und Hohepriesterin (II und V). Beide Römischen Zahlenpaare ergeben addiert VII. Wenn Hadit meint, er währe VIII und "I in VIII" dennoch wahrhaft "Keins", dann verwandelt diese 1 in der 8, die in Wahrheit "0" ist, die 8 in eine 7, bzw. VII
418 (Verweis auf Crowley).

Sicher, man ist versucht, sofort mit Wortbildungen zu experimentieren. Ich denke jedoch das hier das Wort LA ("nicht") vielleicht als Wegweiser, aber kaum als Schlüssel dienen kann, denn bei dieser Wortbildung werden zwei Symbolsysteme, die römischen und hebräischen Zahlwerte (VIII und Aleph), wild durcheinender gemischt. Ich denke da eher an BL (I + VIII = IX 2.23, "BeL / Baal / Marduk" Stiergott || Trumpf V) oder ACh ( + = Trumpf XI, "Bruder").

Eine Möglichkeit der Paarung Die Frage nach der scheinbaren Verneinung des Trümpfe-Paars III und IV lässt sich erstaunlich leicht beantworten, wenn man die Konzeption der Ver-Nichtung durch Ver-Einigung ("1 + 1 = 0", vgl.: 1.45, 1.47) zulässt:

"(...) The Empress and the King are not", "of me; (...)" (2.54: "The stops as thou wilt; ").

Bei dieser Leseweise hat Hadit die Vereinigung herbeigeführt, bzw. ist die aktive Komponente davon ( beinhaltet zwei Versionen von Hadit: XX der Stab und 2 * XXII die Hörner). Die Rede scheint von der berühmten Chymischen Hochzeit zu sein. Und Vers 1.47 könnte die Umbenennung von Trumpf XIV in "Kunst" mit inspiriert haben. Addieren wir beide Trumpf-Paare: VII + VII = XIV. Salz, Schwefel und Quecksilber könnte Nu, Had und It entsprechen. Die "Hochzeit" oder Synthese ist HRK (in diesem Falle: VI, Zwilling und heutzutage vielleicht auch ein Janus Geminus, der "doppelte Janus"). III + IV + I + VI = XIV.

Wenn Hadit sagt, er sei 8, könnte das auf das Wort BAH ("Eingang") verweisen. Aber so weit braucht man gar nicht zu gehen, denn Hadit identifiziert sich mit einem Kartenpaar, bestehend aus V und III. III D DaLeT ("Tor, Türe"). Könnte III das Tor und V der Wächter sein? Das ist mit Vorsicht zu genießen, denn so werden wieder zwei Symbolsysteme durcheinandergewürfelt . Eingang des Tempels Oder man nimmt Janus als Manifestation der verschlossenen Tür. So könnte Daleth die geöffnete sein. Oder nimmt die Kombination Schloss und Tür. Oder es sind zwei Türen in vier Richtungen (vgl.: 1.51).

Man ist versucht die Anordnung der Karten VIII und V am Lebensbaum als die zwei an den Säulen des Freimaurer-Tempels platzierten Wächter zu interpretieren. Sind die Sphinxen nicht Wächter, die das Passwort abfragen? Trümpfe II, V und VII: Alle drei astrologisch dem Mond verbunden. Beide Hauptfiguren sind übrigens ebenfalls "sehbehindert": Der Wagenführer hat sein Gesicht komplett verhüllt. Dem Hierophant fehlen die Pupillen. Aber Halt! Sind die beiden Säulen nicht eigentlich hinter dem Tor platziert?